Unsere Urväter (1849 bis 1945)
Als 26. Baptistengemeinde in Deutschland gründete Bruder Johann Gerhard Oncken im Februar 1849 in Pinneberg eine Gemeinde. Damit war Pinneberg die erste Baptistengemeinde in Schleswig Holstein, das ja damals noch zu Dänemark gehörte. Einer der Urväter dieser Gemeinde hieß Adam Mahr. Er besaß schon als junger Mann eine Abneigung der Kindertaufe gegenüber. Als ihn seine Arbeit im Jahre 1842 nach Altona verschlug, wurde er schnell mit der jungen Baptistengemeinde in Hamburg bekannt. Schon am 4. Juni 1842 ließ er sich mit seiner Frau von Bruder J.G. Oncken in der Elbe taufen.
1844 wurde die Fabrik, in der Adam Mahr als Werkmeister und Teilhaber arbeitete, aus zolltechnischen Gründen nach Pinneberg verlegt. Bruder Mahr zog mit einigen Familien, die in der Fabrik arbeiteten, nach Pinneberg.
Hier begann er 1844 mit einer Gemeindearbeit. Zu Anfang wurden die Versammlungen von vielen neugierigen Pinneberger Bürgern besucht. Als aber mehrere von ihnen gläubig und getauft wurden, setzte eine Verfolgung von seiten der Behörden ein. Die Versammlungen wurden verboten und Bruder Mahr sogar des Landes verwiesen. Viele Pinneberger Bürger richteten darauf hin eine Bittschrift an den Dänischen König, der Bruder Mahr in Wyk auf Föhr eine persönliche Audienz gewährte und ihm die Rückkehr nach Pinneberg ermöglichte.
Bezeichnend war, dass Bruder Adam Mahr nicht nur ein treuer Christ und Mitarbeiter in seiner Gemeinde war, sondern auch politischen Einfluss nehmen konnte. Es wird berichtet, dass er – zur Zeit der Revolution von
1848 – vom Landdrost von Döhring um Hilfe gebeten wurde, da sich eine große und aufgebrachte Menschenmenge vor der Landdrostei versammelt hatte. Es gelang Bruder Mahr tatsächlich, beruhigend auf die Menge einzuwirken, so dass sich die Versammlung schließlich friedlich auflöste.
Am 01.07.1866 wurde die Gemeinde Elmshorn mit 65 Mitgliedern gegründet.
Die Gemeinde bestand aus 17 Stationen. Die Hauptorte waren: Kiel, Neumünster, Heiligensteten, Itzehoe und Barmstedt. Es folgte eine Zeit intensiver missionarischer Tätigkeit, so dass schon 10 Jahre nach ihrer Gründung die neue Gemeinde bereits 124 Mitglieder hatte.
Um die Jahrhundertwende schlossen sich die Gemeinden Elmshorn, Pinneberg und Barmstedt zu einer Gemeinde zusammen. Über Uetersen und nähere Umgebung wurde im Zusammenhang mit baptistischen Christen erst am Ende des 19. Jahrhunderts berichtet. In einem alten Protokoll lesen wir, dass man 1899 in Pinneberg überlegte, einen zweiten Prediger einzustellen. Dieser sollte sich speziell um die Gläubigen in Uetersen und Haselau kümmern. Leider scheiterte dieser Plan dann aber an Geldmangel.
Zwei Jahre später, 1901, berichtet der Pinneberger Prediger, Johannes Rehr, von außerordentlich guten Besuchen der Versammlungen in Haselau. Man kann es sich heute kaum vorstellen, dass zwischen 50 bis 100 Besucher in die Gottesdienstversammlungen kamen.
Die moralischen Erwartungen an die Christen waren unmittelbar vor und nach der Jahrhundertwende sehr streng, wie uns die folgenden beiden Episoden deutlich machen. Am 19. Mai 1889 finden wir folgende Gemeindeprotokollnotiz der Gemeinde Pinneberg:
„Ein Bruder war mit mehreren fremden Frauen zum Brombeerpflücken gegangen. Die Welt hatte daran Anstoß genommen. Die Geschwister hatten über den Fall eine längere Verhandlung. Sie kamen aber zu der Meinung, dass man den Bruder mit einer Anklage vor der Gemeinde Unrecht getan habe.“
Dreißig Jahre später beobachtete man den Wandel eines Christen genauso kritisch. Man war um sein Seelenwohl besorgt, aber mit welcher Schärfe auch gehandelt wurde, zeigt der Protokollauszug vom 4. Oktober 1925:
„Schwester S. hat durch mehrfaches Spazieren gehen (!) mit einem fremden Mann aus der Welt sowohl bei den Mitgliedern wie auch bei der Welt großen Anstoß erregt. Sie ist von den Brüdern wie auch vom Vorstande vernommen worden. Sie ist geständig und hat ernste Zeichen der Reue gezeigt und bittet unter Tränen den Herren und die Gemeinde um Vergebung. Nach eingehender Beratung beschloss die Gemeindeversammlung, der Schwester eine Bewährungsfrist zu gewähren, deren Dauer von ihrem Wandel abhängig ist. Für diese Zeit ist sie von Teilnahme an den Gemeindeversammlungen und vom Abendmahl ausgeschlossen!“
Da es zu der Zeit immer noch keine eigene Station oder Gemeinde auf Uetersener Gebiet gab, existieren natürlich auch keine besonderen Aufzeichnungen aus den Orten der Umgebung. Aber den Christen in Haselau, Heist, Uetersen oder Heidgraben ist es sicherlich in den Jahren des 1. und 2. Weltkriegs nicht besser gegangen, als den Geschwistern in unserer Muttergemeinde Pinneberg. Viele der jungen Brüder wurden Soldaten und eingezogen. Neben den persönlichen Gefahren und Schicksalen wurde auch die Gemeindearbeit sehr erschwert. Bis zum Jahr 1945 war im Kreis Pinneberg nur eine kleine Schar, die durch den Krieg und durch das Hitlerregime einen schweren Stand hatte. Christsein war in dieser Zeit nicht gefragt und machte „… die Arbeit schwer und sauer“. Bruder Hermann Zart, Pastor in Pinneberg, wurde in der Stadt schon gewarnt und angegriffen, nur weil er öffentlich für die Verfolgten in der Welt betete.
Mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 und mit dem Flüchtlingsstrom aus dem Osten, der Anfang 1945 einsetzte, begann eine neue Epoche auch für die spätere Gemeinde Uetersen.
Nach dem Weltkrieg (1945 bis 1977)
Auf Grund des Krieges waren die Gottesdienstversammlungen in unseren Gemeinden natürlich nur sehr wenig besucht und ein Gemeindeleben fand kaum statt. Aber die Gemeindesituation sollte sich schon im Laufe des Jahres 1945 vollkommen ändern. Durch den Flüchtlingsstrom, der mit der Kapitulation einsetzte, kamen viele Christen aus dem Osten auch nach Schleswig Holstein und damit auch in den Pinneberger Raum. Hierher hatte es auch schon etliche Hamburger Geschwister verschlagen, die nach den schrecklichen Bombennächten im Jahr 1943 aus den Toren Hamburgs geflohen waren.
Eine Schwester, die diese Zeit miterlebt hat, war Schwester Martha Lübke, die zu den treusten Mitgliedern der Uetersener Gemeinde zählte. Sie hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben, so dass wir heute die Möglichkeit haben, nachzulesen, wie in dieser schweren Zeit in Uetersen die verstreute Schar von Baptisten sich nach und nach zusammenfand. Schwester Lübke schreibt, dass die ersten Hausversammlungen bei Geschwister Hoof stattfanden. Geleitet wurden diese Versammlungen von Pastor Herbert Wieske, der eigentlich seinen Arbeitsplatz in Hamburg Eimsbüttel hatte. Aber nach den Bombennächten im Jahr 1943 lebten eben viel Mitglieder seiner Gemeinde im Uetersener Raum.
Nach Kriegsende, 1945, konnte man dann auch endlich wieder eine Evangelisation durchführen. Als Ort hatte man sich die Tornescher Schule ausgesucht und Pastor Rothschild aus Bruder Wieskes Gemeinde sprach über die Botschaft der Bibel. Weiter lesen wir dann in den Aufzeichnungen von Martha Lübke:
„Bei dieser Evangelisation trafen wir dann zum ersten Mal mit Geschwistern aus Pinneberg zusammen, die die Arbeit unterstützten durch Teilnahme an den Versammlungen und Solo und Chorgesängen.
Bruder Habedank, Leiter der Gemeinde in Pinneberg, trat erstmalig in Erscheinung. Inzwischen waren wohl schon Verhandlungen getätigt worden mit der Gemeinde Treskowstr (Hamburg-Eimsbüttel) und derselben in Pinneberg betreffs Übernahme unserer Hausversammlungen, die wohl alle vier Wochen von Bruder Wieske in Heidgraben bei Geschwister Marini durchgeführt wurden. Auch hatten wir in Tornesch Bibelstunden bei Mutter Schaumann, die mit großer Liebe ihre Wohnung zur Verfügung stellte, so dass wir wöchentlich guten Bibelstundenbesuch zu verzeichnen hatten!
Nach einem besonders gut besuchten Abend in Schwester Schaumanns Wohnung meinte Bruder Wieske: „ Wo habt ihr bloß all die Leute her, immer hatte ich mir gewünscht, dass sogar das Treppenhaus voll besetzt sein würde.“
Aber es fanden nicht nur Versammlungen für die Erwachsenen statt. Früh erkannte man auch die Aufgabe, den Kindern das Leben Jesu näher zu bringen. In den Notizen von Schwester Lübke heißt es weiter:
„Auch hatten wir bei der eifrigen Jüngerin Jesu eine Sonntagsschule begonnen, die in der Hauptsache von der nunmehr entschlafenen Schwester Mustin (?) betreut wurde.“
Durch die Hilfe der Pinneberger Geschwister begann dann eine gute Partnerschaft, die sich natürlich durch die räumliche Nähe anbot. Aber es gab auch Gefühle, die ein wenig Schmerz erahnen ließen:
„Inzwischen war Bruder Hoof aus dem Kriege heimgekehrt. Er nahm alsbald Kontakt mit Bruder Wieske auf, der sich in so aufopfernder Weise der Uetersener Flüchtlinge angenommen hatte und sich nur schmerzlich von ihnen trennen konnte.“
Waren zunächst alle glücklich, dass man sich bei Geschwister Hoof zu Hause treffen konnte, so musste man aber allmählich feststellen, dass die übrigen Hausbewohner, die keine Christen waren, diese auch nicht ganz leisen Treffen als störend empfanden. So war man froh, dass man in der alten Stadtbaracke am Rosarium eine neue Unterkunft fand.
Und dann war es soweit: 1955 wurde Uetersen als Station der Gemeinde Pinneberg ins Leben gerufen. Aus Eimsbüttel, der Gemeinde von Bruder Wieske, wurden zunächst 28 Mitglieder an Pinneberg überwiesen. Als ersten Uetersener Stationsleiter – einen Gemeindeleiter gab es noch nicht – berief man Bruder Hoof, der aber schon bald mit seiner Familie, die sehr aktiv das Gemeindeleben mit gestaltete, aus beruflichen Gründen verzog. Zu seinem Nachfolger wählte man Bruder Max Ritter.
Aber noch war die Station auf nachbarschaftliche Hilfe angewiesen. Oft machten sich die Geschwister aus Pinneberg mit ihren Fahrrädern auf den Weg, um in der Jungschar oder in der Jugendgruppe zu helfen. Ab 15. Juli 1956 wurden die ersten Sonntagsschulstunden in Uetersen angefangen. Schwester Irmgard Drechsel, geb. Ristau, begann mit der Arbeit und ihr Bruder Gerhard Ristau, später Pastor z.B. in Oberhausen, setzte die Arbeit fort. Aber auch Hans Krohn und später dann Holger Malessa, Barbara Krohn, Eveline Dudek und viele andere scheuten die Radtour nicht, um bei Jugendstunden oder evangelistischen Veranstaltungen mitzuhelfen
Nachdem Bruder Max Ritter 1957 plötzlich verstorben war, folgte ihm als Stationsleiter Bruder Franz Rohde nach und noch immer fanden die Veranstaltungen in der maroden Stadtbaracke statt. Und Schwester Martha Lübke weiß auch davon zu berichten:
“Als dieselbe (die Stadtbaracke) im Laufe der Jahre doch sehr wasserdurchlässig wurde und eine Schwester (wegen des Regens) viermal ihren Sitzplatz wechseln musste, schien mir der Zeitpunkt gekommen zu sein, an die Leitung der Gemeinde Pinneberg mit Entschiedenheit heranzutreten, damit sie sich um einen geeigneten und würdigen Versammlungsraum bemühe, was dann auch geschehen ist (….). Nach Besichtigung einiger vermeintlich passender Räume schien uns die ehemalige Tischlerei in der Tantausallee 35a doch am günstigsten und es wurde mit den entsprechenden zur Kapelle begonnen (…). Wie stark waren alle am Umbau beteiligt! Ich sehe noch das Bild unseres lieben Predigers Szepan vor mir, wie er am linken Kapellenfenster beteiligt war. Die Uetersener Schwestern wechselten sich ab, den arbeitenden Brüdern Erfrischungen und Stärkungen zu bringen.“
Bruder Habedank hatte das Grundstück entdeckt, so dass die Gemeinde für DM 43.000.- es erwerben konnte. Wie dem Bericht von Schwester Lübke zu entnehmen ist, wurde das bestehende Gebäude, eine Tischlerei, in Eigenarbeit von Pinnebergern und Uetersenern gemeinsam umgestaltet. Die Pinneberger Brüder trafen sich gemeinsam, um mit ihren Fahrrädern von Pinneberg aus in Richtung Uetersen aufzubrechen – ein Auto hatte damals kaum einer in der Gemeinde.
Geleitet wurde der Umbau von einem Architekten, der ebenfalls Mitglied in der Baptistengemeinde in Pinneberg war. Leider kam er immer ein wenig zu spät zu den Baueinsätzen, so dass man ohne ihn die Arbeit beginnen musste. So erinnert sich Bruder Hans Krohn an einen Tag, als man mit Gerhard Hoedtke, Artur Rosenhahn und Gerhard Köpke gemeinsam unter Mühen das zukünftige Taufbecken mit Schaufel und Spaten aushob. Als man halbwegs fertig war, kam endlich der Architekt und – wie konnte es anders sein – gab neue Anweisungen für das Taufbecken!! Also noch einmal von vorne!
Aber dann war es doch endlich geschafft:
„Wie groß war die Freude, als der Tag der Einweihung kam (7. Mai 1960) und der Architekt Bruder J. Lübcke dem lieben Bruder Szepan die Schlüssel überreichen konnte, nachdem der Pinneberger Chor vor der Kapelle entsprechend gesungen hatte.“
Außerdem trat zur Feier des Tages der Posaunenchor der Muttergemeinde Pinneberg unter der Leitung von Bruder August Skiera zum ersten Mal öffentlich auf.
Schwester Helene Seidler mit ihrem Sohn waren die ersten Kastellansleute in diesem neuen Haus.
Hier endet der Bericht von Schwester M. Lübke, von der man zu erzählen wusste, dass sie mit ihrem engagierten Einsatz und Spenden im Rahmen ihrer Möglichkeiten (z.B. beim Erntedankopfer) dazu beigetragen hat, dass das Grundstück in der Tantausallee erworben werden konnte.
Der Förderer und Freund Uetersens, Bruder Habedank, hat den Tag der Einweihung leider nicht mehr miterlebt, da er im September 1959, nachdem er während einer Vorstandsitzung einen Schlaganfall erlitten hatte, verstorben war.
In den 60er Jahren formiert sich die Station Uetersen und legt die entsprechenden Entscheidungen in einem eigenen Protokollbuch nieder. Namen, die die erste Zeit nach dem Kapellenbau prägten und häufig in den Protokollen auftauchten, waren z.B. Bruder Dorra als Verantwortlicher für die Stationskasse, Bruder Walter Poss Gemeindeleiter für Pinneberg, Uetersen und Quickborn oder Bruder Herbert Rohde, der die Protokolle verfasste.
Interessant ist eine Notiz aus der Gemeindestunde am 30. Mai 1961. Hier wurde nämlich vorgeschlagen, die Gottesdienste am Sonntag erst um 16:00 Uhr zu beginnen. Dieser Vorschlag fand aber keine Mehrheit – man entschied jedoch, zusätzlich an jedem letzten Sonntag im Monat um 16:00 Uhr eine Abendmahlsfeier durchzuführen.
Im Jahre 1963 scheitert zunächst der Versuch, einen eigenen Prediger für Uetersen zu berufen. Stattdessen spricht sich die Gemeinde für eine Gemeindeschwester aus.
In einer weiteren Gemeindestunde wählt die Uetersener Gemeinde im Jahr 1964 Bruder Harry Scheffler zum „Verbindungsmann“ zwischen der Station und der Gemeinde Pinneberg. Bruder Hans Krohn ist zu der Zeit verantwortlich für die Jugendarbeit und ruft in der Jahresgemeindestunde 1964 alle Geschwister auf, für die Jugendarbeit zu beten.
Einigen Geschwistern wird das Fahren zwischen den beiden Städten langsam zu viel. Auch wächst die Einsicht, dass die kleine Gemeinde junge Geschwister braucht, die vor Ort wohnen. So fällt der Entschluss z.B. bei Günter und Ingrid Hoedtke, sich in der Nähe der „Kapelle“ anzusiedeln. Bernhard und Frieda Kelbert, die ohnehin schon in Heidgraben wohnen, entscheiden sich ebenfalls nun ganz für Uetersen. In der Jahresgemeindestunde am 29. Januar 1967 werden beide Brüder in die Gemeindeleitung der Station gewählt, die damit insgesamt 3 Mitglieder hat. Die Leitung der Stationsgemeinde, und damit „Dritter im Bunde“ ist Bruder Harry Scheffler. Und eine Besonderheit in der Geschichte der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Uetersen geschah ebenfalls in dieser Jahresgemeindestunde: Bruder Dorra wurde als Kassierer einstimmig von der Gemeinde zum „Ehrenvorstandsbruder“ ernannt.
Dann finden wir in den Protokollen über viele Jahre immer wieder eine ähnliche Notiz, erstmals 1965: Bruder Lorenz (Prediger in Pinneberg) bedankt sich bei Bruder Reinhold Lauks für die treue Arbeit in der Sonntagsschule. 1971, sechs Jahre später also, berichtet Bruder Lauks davon, dass in der Sonntagsschule 60 Kinder erfasst sind, von denen ca. 20 regelmäßig die Gruppe besuchen. Erstmals in der Jahresgemeindestunde 1976, 11 Jahre später, erscheint dann folgende Bemerkung: „Bruder Lauks fragt, ob nicht auch einmal ein Wechsel in der Leitung der Sonntagsschule möglich sei!“ Aber auch aus dem Jahresbericht 1980 ist zu ersehen, dass der Sonntagsschulbericht immer noch von Bruder Lauks gegeben wurde. Eine in Treue zu den Kindern durchgeführte Gemeindearbeit, die über 15 Jahre andauerte!!
Viele Dinge mehr kann man noch aus den Protokollen der damaligen Zeit entnehmen. Kurioses und auch Trauriges. So lesen wir von der Einsetzung eines Kissenausschusses, der – so das Protokoll vom 07. Dezember 1975 – hervorragende Arbeit geleistet hat, indem ganz neue Möglichkeiten vorgeschlagen wurden, z.B. das Herstellen von weichen Kissen für die harten Bänke durch die Frauengruppe.
Andererseits gibt das Protokollbuch auch mehrmals Auskunft über den Ausschluss von Geschwistern.
Schließlich wird es sieben Jahre nach dem ersten Versuch doch noch möglich: Nachdem die Station Uetersen sich mit großer Mehrheit am 16. März 1969 dafür ausgesprochen hat, Bruder Wilfried Bohlen als Prediger zu berufen, tritt dieser nach Abschluss seines theologischen Studiums am 20. September 1970 seinen Dienst in der Tantausallee 35a an. Er zieht in die Wohnung, die zuvor im Obergeschoss der Kapelle ausgebaut worden war. Gleichzeitig hatte das Gebäude auch Jugendräume und eine neue Fassade erhalten.
Natürlich ging neben der Arbeit innerhalb der Gemeinde das missionarische Leben weiter.
Evangelisationen wurden sorgfältig und genau geplant. So finden wir noch heute in unserem Archiv einen Ordner, in dem genau beschrieben wird, was bei einer Zeltevangelisation alles beachtet werden muss: vom Bereitstellen des Stromes über die Genehmigungsanträge für das Ordnungsamt bis zur Einteilung von Gebetszeiten.
Vielleicht erinnern sich die Älteren noch an eine Gemeindewoche im März/April 1964. Nicht für jeden Abend dieser Woche war ein öffentliches Programm vorgesehen. Die Gemeinde traf sich auch zu einem Bibelkreis und bei einigen Geschwistern zu Hause, um im Gebet die Abende vorzubereiten, an denen Gäste eingeladen waren.
Dazu hatte man vorher 4900 (!) Einladungen als Drucksachen an die Einwohner Uetersens verschickt, es gab Anzeigen in der Tageszeitung und einen selbstverfassten Artikel in den „Uetersener Nachrichten“. Und es gab einen Fragebogen, mit dem die Geschwister damals in die Innenstadt zogen – die Fußgängerzone existierte noch nicht – um die Bürger zu interviewen und auf die Veranstaltungen hinzuweisen.
Viele Geschwister hatten sich für diese Woche Urlaub genommen und trafen sich schon um 09:15 Uhr in der Kapelle zur Gebetsstunde und zur Vorbereitung des Abends. Sketche der Jugendgruppe und musikalische Beiträge umrahmten die Ansprachen (vielleicht hat Willow Creek das damals bei uns abgeschaut?!).
Eine ganz andere Art, Menschen mit der Botschaft Jesu bekannt zu machen, war dann im Jahr 1972 eine Veranstaltung, die unsere Gemeinde in der Großen Stadthalle durchführte: 30 Hamburger Jugendliche sangen und spielten Gospels und Spirituals. Nach dem Auftritt der „New Gospel Singers“ waren die Besucher dann in unsere Christuskirche eingeladen, zu Tee-, Spiel- und Diskussionsabenden.
Nach einigen größeren Veranstaltungen in der Öffentlichkeit, zu denen neben Zeltevangelisation und Bibelausstellung auch die Einweihung der eigenen Orgel gehörte, beschließt man für das Jahr 1973, mehr über den inneren Gemeindeaufbau nachzudenken. Und zum ersten Mal lesen wir eine Notiz in einem Vorstandsprotokoll, die ca. 25 Jahre später dann Wirklichkeit werden sollte: „Frage: sollen wir einen ev. freikirchl. Kindergarten gründen?“ (Vorstandssitzung am 4.12.1972)! Manche Dinge brauchen ihre Zeit und man ist offensichtlich gut beraten, manchmal Geduld und Zuversicht zu bewahren.
Mit Geld wurde immer sehr sorgfältig und mit Bedacht umgegangen. Das galt in großen aber auch in vielen kleinen Dingen. So überlegte man, Zeitungsanzeigen nur noch bei besonderen Anlässen aufzugeben und beschloss außerdem generell, nur Schülern, Studenten oder Geschwistern, die nicht verdienen, aus der Gemeindekasse einen Zuschuss für Tagungen und Schulungen zu zahlen.
Das verantwortungsvolle Umgehen mit dem Geld war aber auch bei vielen Geschwistern in jener Zeit ein Ausdruck ihrer Liebe zu Christus und zur Gemeinde. Hier noch einmal ein Beispiel von der oben zitierten Schwester Martha Lübke: sie überwies wenige Jahre vor ihrem Tod der Gemeinde einen Geldbetrag für ihre Beerdigung. Die Hälfte der Summe war für ein Kaffeetrinken im Anschluss an die Trauerfeier gedacht. Noch im Denken an ihren eigenen Tod war die Gemeinschaft der Gemeinde für Schwester Lübke ein ganz wichtiger Bestandteil ihres Glaubens. Was für ein Vorbild!!
Bruder Bohlen und seine Familie beendeten 1975 ihren Dienst in Uetersen und Bruder Dieter Thomas folgte als neuer Prediger nach.
„Wir sind selbständig“ (1976 bis heute)
Dann naht das Jahr 1976. Nach vielen Überlegungen und Gebeten fand am 13. Juni 1976 eine historische Gemeindestunde statt – übrigens gleich nach dem Gottesdienst, der damals ja schon um 09:30 Uhr begann. Die Gemeindestunde wurde von Bruder Harry Scheffler geleitet und Br. Günter Hoedtke schrieb die wichtige Entscheidung in das Protokollbuch. In dieser Gemeindestunde empfahl der Gesamtvorstand aus Pinneberg und Uetersen einstimmig das „Selbständig werden“ der Station Uetersen.
So lesen wir in dem Protokoll: „Es folgt eine Aussprache über unseren Gemeindehaushalt, unsere Mitgliederbewegung – 36,4% Zunahme von 1970 bis 1975 – die Mitarbeitersituation (die Gemeinde ist in der Lage, ihre Dienste mit eigenen Mitarbeitern zu versorgen) und die Altersstruktur der Gemeinde. Nachdem die Brüder Math. 6, 31-34 und Luk. 5,5 vorgelesen und ausgelegt hatten, stimmte die Gemeinde einstimmig dafür, dass die Gemeinde Pinneberg den Antrag bei Vereinigung und Bund stellt, seine Zweiggemeinde Uetersen zu verselbständigen….“.
Auf der Bundeskonferenz im darauffolgenden Jahr in Nürnberg – wie immer über den Himmelfahrtstag – wurde die Selbständigkeit bekanntgegeben und damit wirksam. Bruder Hoedtke und Bruder Kelbert waren vor Ort, um die Nachricht unmittelbar nach Hause zu melden.
Ende der 70er Jahre beteiligt sich unsere Gemeinde im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch an außenmissionarischen Projekten. Durchgeführt wurden Informationsveranstaltungen mit afrikanischen Missionaren, die auf das Technische Zentrum in Maroua/Kamerun hinweisen. Unsere Jugendgruppe hatte als zusätzliche Unterstützung für dieses Technikzentrum einen Verkaufsstand in der Geschäftsstraße „Großer Sand“ aufgebaut.
Auch die „Gemeindebibelstunde“ startet in diesen Jahren und wird gut besucht. Um möglichst vielen Geschwistern und Freunden der Gemeinde die Teilnahme zu ermöglichen, fand die GBS in einem besonderen Turnus statt. So gab es 4 Hauskreise, die sich einmal im Monat trafen, 4 Gesprächsgruppen, die sich während der Bibelstundenzeit gemeinsam in den Gemeinderäumen trafen (auch einmal im Monat), dann wiederum einmal im Monat statt Gottesdienst ebenfalls vier Gesprächsgruppen ab 09:30 Uhr am Sonntag.
Und schließlich traf man sich dann noch im gemeinsamen Plenum im Rahmen der Bibelstunde am Dienstag. Das ist noch gar nicht so lange her!
Die „Uetersener Nachrichten“ berichteten am 23.12.1978 davon, dass ein neuer Seelsorger seinen Dienst in der Christuskirche angetreten hat: Rolf-Michael Gerhards (29 Jahre) wurde neuer Pastor in unserer inzwischen 75 Mitglieder zählenden Gemeinde. Mit ihm kam neuer Schwung in die Jugendarbeit, eine Teestube wurde eröffnet und die Jugendgruppe gestaltete manchen Gottesdienst.
Im April 1980 wandte sich unsere Gemeinde dann wieder mit einer Zeltevangelisation an die Bürger unserer Stadt. Parallel dazu wurde im Gemeindehaus eine Bibelausstellung gezeigt. Die Evangelisation gliederte sich in zwei Teile.
Der erste Teil war „klassisch“ aufgebaut, und die Ansprachen standen im Mittelpunkt.Der sich anschließende zweite teil richtete sich an die Jugendlichen dere Stadt und war wesentlich lockerer aufgebaut. Extra für diese missionarische Woche hatte unsere Gemeinde eine eigene Zeitung gestaltet und herausgegeben: „Rund ums Zelt“. Diese Zeitung erschien als Beilage zu unserer lokalen Tagespresse und hatte eine Auflage von 10.000 Stück. Auch in den Arztpraxen und bei Friseuren waren unsere Zeitungen ausgelegt. Und was sich die Gemeinde erhofft hatte, trat ein: „Rund ums Zelt“ wurde von vielen Menschen als seriöse Zeitung akzeptiert und nicht als Reklame in den Papierkorb geworfen. Durch die Zeitung angeregt kamen viele Menschen in das Zelt und hörten die Gute Nachricht. Übrigens, die älteste Bibel, die wir in der Bibelausstellung zeigen konnten, war eine Familienbibel aus Uetersen aus dem Jahre 1690!
Überhaupt gehörte der Weg zu den Leuten in der Stadt Anfang der 80er zu den Selbstverständlichkeiten unserer engagierten Mitglieder, wie z.B. ein Zeitungsbericht der „Uetersener Nachrichten“ deutlich macht. Da wird über einen Informationsstand berichtet den die Jugendgruppe auf dem Wochenmarkt eröffnet hatte, um auf die Großveranstaltungen der Gemeinde hinzuweisen.
Und immer wieder berichtet unser Gemeindearchiv von Gemeindeveranstaltungen, wie z.B. von Vorträgen und Gesprächen, Konzerten zur Passionszeit, Gemeindefesten auf unserem Grundstück oder Gemeindeabenden z.B. mit Pastor Dietrich Wook über das Thema „Die Gemeinde und ihre Aufgaben, Freunde, Selbstverständnis, Zukunft und Gruppen…!”
Unter dem Motto: „Kommt wir pflanzen einen Hoffnungsbaum“ stand das Sommerfest im Jahr 1982. Der Erlös eines Flohmarktes, der gleichzeitig mit dem Sommerfest stattfand, floss in ein Projekt der dritten Welt. Unsere Kinder stellten, sicherlich mit der Hilfe ihrer Eltern, ihre Spielsachen zur Verfügung und verkauften sie zu möglichst hohen Preisen.
Weiter auf dem Programm standen eine gemütliche Kaffeetafel und Spiele für Kinder und Erwachsene. 150 Besucher konnten wir zu dieser Veranstaltung begrüßen. Der Blick in die Gemeinde, das Suchen nach dem Besten für unsere Stadt und der Gedanke an Menschen in aller Welt, die unsere Hilfe brauchen – also drei wichtige Dinge – haben schon eine lange und gute Tradition in unserer Gemeinde.
Überhaupt war in den 80er Jahren die Verbundenheit untereinander besonders spürbar. Weder Alt noch Jung ließen es sich nehmen, an den verschiedenen Fahrten ins „Grüne“ teilzunehmen. Die Gespräche mit den Geschwistern, das gemeinsame Essen, die Andachten in freier Natur, die Bibelarbeiten und die sportliche Betätigung haben uns spüren lassen, wie sehr wir durch Jesus Christus miteinander zu einem Leib verbunden sind.
Ob eintägige Fahrradtouren nach Deekenhörn oder in den Heistmer Wald oder zur Waldbühne Ellerhoop – man war dabei. Und jede Tour hatte ihre Höhepunkte: an die alten Kinderspiele, wie z.B. Kippel-Kappel und andere in der Nähe des Flughafens haben bestimmt noch einige in Erinnerung. Unvergesslich bleibt auch der Waldgottesdienst in Ellerhoop, bei dem wir, obwohl alle mit dem Fahrrad gekommen waren, unsere Kanzel aus dem Gottesdienstraum mitgebracht hatten.
Manch einer behauptet heute noch, dass der Ausflug nach Deekenhörn im Juni 1982 der Beginn der immer noch stattfindenden Fußballspiele „Väter mit den Söhnen“ war.
Auch die verschiedenen Wochenendfreizeiten in Mölln – einmal bauten wir in verschiedenen Gruppen die Arche Noah und ließen die Boote im Dranser See schwimmen – oder in Ulsnys an der Schlei, wo wir in Papiertüten Wasser transportieren mussten, gehören heute zu den schönen Erinnerungen unseres Gemeindelebens.
Obwohl die Gemeinde immer wieder, wie vorher schon erwähnt, den Weg in die Öffentlichkeit suchte, wurden wir schnell in die Ecke der Sekten gestellt. Mit dem Begriff „Baptisten“ oder „Freikirchlich“ wussten viele unserer Mitbürger nichts anzufangen.
Einen neuen Versuch, diese Vorurteile abzubauen, machte die Gemeinde im letzten viertel Jahr des Jahres 1983 mit Gesprächsabenden unter dem Motto „Wir über uns“. Aber auch das intensive Beteiligen an der Evangelische Allianz oder die Teilnahme an ökumenischen Gottesdiensten half uns, den Ruf, eine Sekte zu sein, nach und nach abzubauen.
Und immer wieder das Angebot an Nachbarn, Freunde und Bekannte, sich über verschiedene Wege mit dem Evangelium auseinanderzusetzen. Eine erneute Bibelausstellung im Jahr 1984, zeigte den Weg von der Papyrusherstellung bis zur gedruckten Bibel.
Oder wir versuchten durch Interviews in der inzwischen entstandenen Fußgängerzone mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. So tritt im April des gleichen Jahres der Jugendmissionschor des Rheinlands in einem Freiluftgottesdienst vor dem Kaufhaus „Woolworth“ auf, gestaltet eine musikalische Religionsstunde in einer Grundschule und gibt Gospelkonzerte in der Aula des Gymnasiums und im Jugendzentrum. Pastor Gerhards freut sich in einem Artikel für die Zeitschrift „Die Gemeinde“ „…..,dass unsere Gemeinde wieder ins Bewußtsein der Menschen in unserer Stadt gerückt wurde.“
Wie stark der Zulauf zu gemeinsamen kirchlichen Veranstaltungen noch vor ca. 20 Jahren in unserer Stadt war, zeigt eine Zeitungsüberschrift vom 14. März 1985: „Zum Abschluß der ökumenischen Bibelwoche: 400 Christen beim gemeinsamen Gottesdienst“!
Nach einer kurzen Dienstzeit Mitte der 80er Jahre, verlässt Pastor Friedhelm G. unsere Gemeinde wieder. Rolf Michael Gerhards hatte im Juli 1985 nach 6 ½ Jahren einen neuen Dienst in der Gemeinde Neu-Wulmstorf angetreten.
Die kurze Zeit des Dienstes von Br. Friedhelm G. war gleichzeitig eine Bewährungsprobe für die Gemeinde, und sicherlich hat diese Periode bei dem einen oder anderen Gemeindemitglied auch schmerzliche Erinnerungen hinterlassen.
Schnell hatte sich die Gemeinde aber wieder gefangen und schaute auf neue Herausforderungen: wir planten das neue Gemeindezentrum. Wenn auch manch einer sich noch an die Anstrengungen erinnerte, die mit dem Umbau der alten Tischlerei verbunden waren, so musste man Ende der 80er doch feststellen, dass die alte Kapelle zu eng geworden war.
Sie hatte eine Kapazität für ca. 100 Personen und oft war der Raum viel zu klein und eng. Auch konnten die Gruppenstunden nicht optimal gestaltet werden. Die Kinderstunde am Mittwoch nachmittag war inzwischen zu beträchtlicher Größe angewachsen und fand kaum noch genügend Platz.
Der Wohnblock neben der Gemeinde war inzwischen gekauft worden, so dass man diesen in die Gesamtplanung mit einbeziehen konnte.
In großer Einmütigkeit und mit viel Elan machte man sich an die Renovierungsarbeiten des Wohnblocks, an den Abriss der alten Kapelle und an den Wiederaufbau des neuen Gemeindezentrums. Unvergessen für alle, die dabei waren, die Vorbildfunktion unseres neuen Pastors Manfred Arendt. Er war im August 1988 zu uns gekommen und war nicht nur ein Mann des Wortes sondern auch der Tat.
Ob bei groben Arbeiten oder dem Streichen der Holzdecke, nichts war ihm zu unangenehm. Der Autor dieses Berichtes erinnert sich noch an eine Begebenheit bei den Vorbereitungen der Holzdecke für den Gottesdienstraum. Die Bretter sollten auf dem Gelände der Firma von Bruder Bernhard Kelbert sorgfältig mehrmals gestrichen werden, also keine hektischen Bewegungen. Das war auch gar nicht möglich, denn der große Schäferhund von Bruder Kelbert lief auf dem Gelände frei herum und jedermann wusste, dass mit dem Tier nicht „gut Kirschen essen“ war. Besser also, man hielt den Atem an und arbeitete gaaanz ruhig. Die Bearbeitung der Bretter soll zur Zufriedenheit der Fachleute ausgefallen sein!
Und wieder trat die alte Kanzel unserer Kapelle in Erscheinung. Bei der Andacht anlässlich der Grundsteinlegung stand sie inmitten des Bauplatzes, so dass von diesem Ort aus Pastor Matthias Ekelmann, Bürgermeister Bromma und David Kamarra aus Sierra Leone, ihre Grußworte an die Gemeinde richten konnten.
Zwischen Abriss der alten und Einweihung der neuen Kirche waren wir auf Wanderschaft in Uetersen, hauptsächlich aber zu Gast bei unseren Geschwistern aus der „Gemeinschaft in der Landeskirche“, in Uetersen besser bekannt als die Nachbarn aus dem „Martin-Luther-Haus“. Eine gute Freundschaft entwickelte sich zu ihnen, die uns noch heute miteinander verbindet. Aber auch die Gastfreundschaft der Erlöserkirche und der Klosterkirche haben wir dankbar in Erinnerung.
Da wir in dieser Zeit auch keine Taufbecken hatten, nahmen wir die Gelegenheit war zu einem Taufgottesdienst im Freibad Glinde. Leider waren an diesem Sonntag, dem 2. Juli 1989 nur wenig Badegäste in Glinde, denn es war noch früh aber leider auch schlechtes Wetter, so dass das erhoffte Zeugnis in der Öffentlichkeit mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.
Unsere Lokalpresse berichtete nicht nur von diesem Gottesdienst in Glinde, sonder wir konnte überhaupt sehr zufrieden sein mit den objektiven und interessierten Zeitungsartikeln über die Veranstaltungen unserer Gemeinde. Die vielen Ausstellungen und Konzerte, die sich Ende der 80er und durch das folgende Jahrzehnt zogen, fanden immer einen angemessenen Platz in der Zeitung. Dabei halfen uns natürlich auch so angesehene Künstler , wie z.B. Audrey Moautang und Gottfried Böttger oder Bilder von HAP Grieshaber, Ernst Barlach oder Marc Chagall.
Ende 1989 stellte sich die Gemeinde die Frage: „Warum soll man Heilig Abend nicht in einem Rohbau der Christuskirche verbringen?“ Und so geschah es auch. Als Gemeinde feierten wir den Gottesdienst zum Heiligen Abend in einer dunklen und ungeheizten Kirche, aber es war unsere Kirche! Jeder hatte sich warm angezogen und brachte sich ein Weckglas mit einer Kerze mit. So saß die Gemeinde am 24. Dezember 1989 und feierte einen unvergesslichen Weihnachtsgottesdienst.
Am 4. November 1990 war der Bau endlich beendet und wir konnten den Weihegottesdienst feiern. Die Predigt hielt Bruder Günter Wieske, Sohn von Pastor Herbert Wieske, der nach 1945 die versprengten Hamburger Christen in der Umgebung von Uetersen gesammelt und damit dann die spätere Gemeinde vorbereitet hatte. Der damalige Gemeindeleiter, Günter F. Hoedtke, begrüßte neben vielen Gästen auch den Bürgermeister Bromma und Abgeordnete vom Martin Luther Haus. Alt und jung feierte an diesem Tag, dass Gott uns mit diesem Haus reich beschenkt hatte.
Das neue Gebäude sprach nicht nur die Mitglieder der Gemeinde an, sondern wirkte einladen auf viele Menschen der Stadt. Neue Formen der Evangelisation entstanden. Nach dem Abschied vom Pastorenehepaar Manfred und Lily Arendt im Dezember 1993 – Pastor Arendt ging in den aktiven Ruhestand in die Gemeinde Rinteln – kam mit Gottfried Rabenau ein Nachfolger, der auch neue Formen der Evangelisation mitbrachte.
Der besondere Gottesdienst für Gäste entstand und lud in vielfacher Form Menschen ein. Ein Gottesdienst im Kino hatte es in Uetersen noch nicht gegeben. Aber die Einladung zu einem Film mit anschließendem Gespräch wurde von manchem Bürger angenommen. Dichterlesungen mit Pastor Albrecht Gralle, Lesungen und Diskussionen mit dem Autor Dr. Michael Ackermann, dem Verfasser des Buches „Rocky“ und mancher Gottesdienst, der etwas anders war, als sonst üblich, rundeten das Bild der „Special services“ ab. Aus diesen Gottesdiensten entwickelte sich nach und nach das Konzept der noch heute durchgeführten Gästegottesdienste „g plus“, dem „Gottesdienst und noch ein wenig mehr“. Theaterstücke, Musik, Ansprache und Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen, bilden die aktuelle Form der evangelistischen Veranstaltung.
Es dauerte insgesamt 22 Jahre, bis das Thema „Kindergarten“ wieder aktuell wurde. Fand man 1972 nur eine sehr kurze Notiz im Gemeindeleitungsprotokoll, so wurde es 1994 ernst. Kindern eine Heimat geben, ihnen ein wenig Geborgenheit zu vermitteln und vor allem ihnen und ihren Eltern Jesus näher zu bringen, das waren die ausschlaggebenden Momente, die zur Gründung eines Kinderspielkreises führten.
Am 20. April berichtete die Zeitung von der Eröffnung des Kinderspielkreises, der einige Jahre später dann auch offiziell zum Kindergarten wurde. Viele Kinder haben diese Gemeindeeinrichtung, die von Kristine Klatt und ihrem Team betreut wird, schon besucht, viele Kinder stehen aber noch auf der Warteliste und würden sich freuen, wenn sie einen Platz bekommen könnten.
Aber leider gab es auch in den 90ern einige unruhige Zeiten, die das Gemeindeleben erschütterten. Verließen am Anfang des Jahrzehnts ca. 10 Geschwister unsere Gemeinde, weil es unterschiedlich Auffassungen gab, so war die Beendigung des Dienstes von Pastor Gottfried Rabenau 1998 für beide Seiten eine traurige und schmerzliche Trennung. Auch der Kauf des Wohnblocks in der Schanzenstr. 24 stellte die Gemeinde auf die Probe.
Aber bei allen Krisen und bei all den wundervollen Erlebnissen, die die verschiedenen Generationen hier in Uetersen erlebt haben, muß man feststellen, dass Gott mit seiner Gemeinde war. Wo Menschen zusammen sind gibt es Sonne und Regen, Streit und Frieden, Verständnis und Mißverständnisse. Aber Gottes Frieden hat uns immer wieder geholfen, persönliche Eitelkeit und Befindlichkeit hinter das Wohl der Gemeinde zu stellen.
Damit sind wir in der Gegenwart angekommen. Pastor Frank Penno und seine Frau Insa sind seit dem 1. September 1999 bei uns und wir sind gespannt, wie es mit unserer Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Uetersen – Christuskirche weitergeht. „Suchet der Stadt Bestes“, das bleibt auch weiterhin der Auftrag Gottes, den er Uetersen mitgegeben haben
Was können wir lernen aus einem Rückblick? Sicher ist eins: Gott ist treu – die Geschichte Uetersens zeigt das. Aber Gott hat auch Geduld und einen langen Atem. Uns geht vieles nicht schnell genug! Manches von dem, was wir erlebt haben, hat sich früh angekündigt und ist doch erst Jahre später Wirklichkeit geworden. Wir wollen darauf vertrauen, dass Gott einen Plan mit uns hat, wollen offen sein für das, was möglich ist und wollen das anpacken, was Gott uns aufträgt
Gott segne seine Gemeinde in Uetersen.